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Wave-Oper mit einfrierenden Videobildern

Goethes Erben gehen neue Wege - Konzert im Europasaal

"Danke, daß ihr beim ersten Teil nicht davongelaufen seid", bedankt sich Oswald Henke nach zwei Stunden Goethes Erben live beim Publikum im Europasaal im Zentrum.

Zum davonlaufen war es wirklich nicht. Eher neu. Die Bayreuther Gothic Wave Formation Goethes Erben, die gegenwärtig durch Deutschland und die Niederlande touren, gehen neue Pfade. Dazu gehört auch die Bestuhlung im Europasaal. Knapp 500 Leute erlebten im Zentrum den Aufbruch in eine neue Ära von Goethes Erben.
Neue Pfade geht die aktuelle CD (die einfach "Goethes Erben" heißt). Teilweise neu ist auch die Besetzung: Neben Oswald Henke (Worte) und Mindy Kumbalek (Keyboard, Percussions, Sax) ist diesmal Troy dabei (E-Gitarre, Baß, Percussions) als Gastmusiker von Catastrophe Ballet. Am Cello war Harald Lindemann, der auch bei Artwork die Seiten streicht und schon bei der Mini-CD "Der Die Das" mit von der Partie war.

Neu ist auch die Show des Konzerts. Eine Show, die den Namen eigentlich nicht verdient, denn es ist Musiktheater, eine Wave-Oper sozusagen, mit dem Titel "Blau-Rebell. Die Geschichte einer Flucht". Libretto, Worte und einzige Stimme auf der Bühne: Oswald Henke.

Neu ist auch, daß Goethes Erben mit komplett eigener akustischer und optischer Technik touren. (Der Ton kommt übrigens von Etage-Wirt und Erben- und Artwork-Producer Jochen Schoberth.) Zur Overtüre erklingt Wagners "Ritt der Walküren", Videobilder von Oswald Henke flimmern über die zwei Dreiecksleinwände, die den Bühnenraum nach oben begrenzen.

Pascal ist der Blau-Rebell, dessen Geschichte von Oswald Henke erzählt, überwiegend mit Titeln vom aktuellen Album. Gespiegelt in der Erinnerung seiner Mutter. Bei der Geburt ist die Bühne in blutrotes Licht getaucht. Dazu ein verfremdetes "Fuchs, du hast die Gans gestohlen". Sonst herrscht weißes Licht vor. Eine Farbe der Kälte. Pascal gerät in den Krieg. Und in Gegensatz zum Regime, was ihn in ein Lager bringt. Auf der Flucht versinkt Pascal in realer und metaphysischer Kälte, seine Fluchtbewegung friert buchstäblich ein. Videobilder zeigen Bilder von den Musikern, von der Seite, von vorne, simultan oder verzögert. Mit einfrierenden Bewegungen.

Voller Einsatz

Oswald Henke spricht und spielt das mit vollem Einsatz. In weißem weitem Stoff: Häftlingsgewand, Leichenhemd. Mit aufgelösten fliegenden Haaren wirbelt Oswald über die Bühne, verirrt sich ins Publikum. Das ein wenig auf den Händen sitzt. Die holt es erst so richtig hervor, wenn bei der Zugabe bekannte Titel zu Gehör kommen. Zum Beispiel Nick Caves "Mercy Seat", von Oswald zum "Sitz der Gnade" eingedeutscht.

Oder "Das Ende", mitbegleitet von Erben-Veteranin Susanne Reinhardt auf der Violine. Mit einem weiteren Klassiker aus anderen Goethes-Erben-Zeiten verabschieden sie sich vom Publikum im vollbesetzten Europasaal. "Bis irgendwann und irgendwo".

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